Kommentar vom 10.04.2025 zum Koalitionsvertrag von CDU und SPD:

Für unser Interessensgebiet, die Atompolitik, speziell die „friedliche Nutzung der Atomenergie“ steht im neuen Koalitionsvertrag zum Glück nichts drin.
Auf Seite 78 des Vertrages von CDU und SPD heißt es: „Fusion und klimaneutrale Energieerzeugung: Wir bringen neuartige Klimatechnologien voran. Wir bauen die Forschung im Bereich Photovoltaik, Windenergie, Geothermie, Wasserstoff sowie Speichertechnologien wie zum Beispiel Batterien aus. Wir wollen die Fusionsforschung stärker fördern. Unser Ziel ist: Der erste Fusionsreaktor der Welt soll in Deutschland stehen.
Bemerkenswert ist, dass von einer im Vorfeld unter den Koalitionären debattierten „Bestandsaufnahme“ über die Möglichkeit der Wiederinbetriebnahme einiger im Rückbau befindlichen AKW's keine Rede mehr ist. D.h. erst einmal keine Rückkehr zur Atomkraft! Hier war wohl die einhellige Ablehnungsfront der großen deutschen Stromerzeuger wie RWE, EON und EnBW zu deutlich. Vielleicht hatte auch die Petition von .ausgestrahlt mit seinen 150000 Unterschriften etwas genutzt.

Im Newsletter von .ausgestrahlt vom 10.04.2025 heißt es dazu:
Obwohl das Kapitel AKW abgeschlossen scheint, ist die Auseinandersetzung um Atomkraft noch immer nicht vorbei:

  • Die Urananreicherung in Gronau läuft unbefristet.
  • Die Brennelementefabrik in Lingen fabriziert Brennstoff für AKW in aller Welt.
  • Es gibt kein Konzept für viele weitere Jahrzehnte Zwischenlagerung für hochradioaktiven Müll.
  • Bei der Standortsuche für ein „Endlager“ droht eine Beschleunigung auf Kosten von Wissenschaftlichkeit und Beteiligung. Zahlreiche Länder Europas wollen EU-Gelder für ihre Atomprojekte ..."

Ja und wir wissen, dass die AfD gemeinsam mit der Atom-Lobby weiter aktiv sein wird und unserer Gesellschaft SMRs und die Transmutation aufschwatzen wollen.

Stattdessen jetzt also im Koalitionsvertrag: neue Klimatechnologien. Dazu zählt ganz im Sinne vom Merz und der CDU/CSU besonders die Kernfusion. Merz hat in der jüngeren Vergangenheit des öfteren propagiert, was jetzt wortwörtlich im Vertrag steht: "Der erste Fusionsreaktor der Welt soll in Deutschland stehen." Wir können nur spekulieren, aber mit dem Stand der Forschung und Entwicklung der Kernfusion hat das nichts aber auch gar nichts zu tun. Das sind in vielerlei Hinsicht reine Luftschlösser und milliardenschwere Träumereien.

Sowohl physikalisch wie technisch steht ein Fusionsreaktor noch nicht einmal auf dem Papier. Die EU und damit auch Deutschland finanziert mit Milliarden seit 18 Jahren das Projekt ITER in Südfrankreich, wo zu heutigem Zeitpunkt in 12 bis 15 Jahren zu ersten Mal für mehr als ein paar Minuten Millionengrad heißes Plasma, erzeugt durch die Kernfusion, hergestellt werden soll. Außerdem soll ITER, und das ist genauso fundamental, Wege aufzeigen mehr Tritium zu erzeugen als für den Kernfusionsprozess benötigt wird. Wenn diese beiden zentralen Probleme gelöst sind, kann es überhaupt erst an den Bau des ersten (experimentellen nicht kommerziellen!) Fusionsreaktors gehen. Und das wird, so sagen die beteiligten Wissenschaftlerinnen nicht vor 2045 sein (siehe dazu ausführlich unseren FAQ-Katalog und den Artikel aus der 'antiatomaktuell' vom Feb. 25). Und der Reifegrad der in Hessen bevorzugten Technologie der Laserfusion ist noch unterentwickelter (Stellungnahme des Klimabeirates Hessen).

Der eigentliche Beweggrund der massiven Förderung der Kernfusion durch Schwarz-Rot liegt aber ganz woanders. Nämlich im Nichtstun! Denn allen Ernstes versprechen Merz und Co, dass mit der kommerziellen Nutzung der Kernfusion das Problem der Klimaneutralität weltweit dann gelöst ist und wir somit in Sachen klimaneutrale Stromerzeugung zu 100% im Jahr 2050 am Ziel sind. Die Erneuerbaren, besonders die vom Merz ungeliebte Windkraft, kann dann endlich abgebaut werden. Was für ein Schmarrn würde der Bayer sagen.

Um das möglichst zügig umzusetzen, werden jetzt schon alle Hindernisse wie das bisherige Umweltklagerecht beiseitegeschoben bzw. erheblich eingeschränkt. Der Hammer ist auf Seite 79 des Vertrages zu lesen: “Wir regulieren die Fusionskraftwerke außerhalb des Atomrechts“. Entweder haben die Spitzenpolitiker von CDU und SPD noch nie was richtig davon verstanden, wie eine Kernfusion abläuft und welche Unmengen an radioaktiven Atommüll dabei anfällt, oder – und das ist wahrscheinlicher - sie lügen einfach, sie gaukeln uns vor, dass die Kernfusion ohne Endlager auskommt und der heilige Gral des Wachstumskapitalismus, einer unendlich zur Verfügung stehenden Energie damit erreicht ist.

Und hinzukommt, die Menge von Tritium für jedes Fusionskraftwerk ist erheblich und nur nebenbei für die militärische Nutzung bei der Wasserstoffbombe von erheblicher Bedeutung. Nur das wird im Vertrag natürlich nicht erwähnt; denn die Kernfusion ist das Zukunftsversprechen für das weitere "business as usual".

Und darum geht’s letztendlich: das Wohlstandversprechen soll aufrechterhalten werden.

HB.