Das Folgende bezieht sich auf den Reaktor Phillipsburg 2 und soll nur zum Vergleich mit dem BER II anregen.

Das Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg veröffentlicht in vorbildlicher Weise Dokumente zu Stilllegung und Abbau der Kernkraftwerke Neckarwestheim und Phillipsburg 2.

https://um.baden-wuerttemberg.de/de/umwelt-natur/kernenergie-und-radioaktivitaet/kerntechnische-anlagen/kkw-in-baden-wuerttemberg/neckarwestheim/stilllegung-und-abbau

Bei dem dort dargestellten Ablauf gibt es einen interessanten Unterschied zu dem Vorgehen des Helmholtz-Zentrums Berlin: Erst wurde die Öffentlichkeit informiert und beteiligt, dann erst der Antrag auf Erteilung einer Stilllegungs- und Abbaugenehmigung gestellt. Selbst der Antrag auf Stilllegung wurde veröffentlicht.

Wenige Monate danach wurde der Scoping-Termin (Behörde und Betreiber müssen sich miteinander verständigen über alles, was durch Stilllegung und Abbau die Umwelt beeinflusst) öffentlich bekanntgegeben. Ein Zitat aus der Bekanntmachung zum Scoping-Termin für den 12. Dezember 2016:

"Die Besprechung ist öffentlich, soweit nicht geheimhaltungsbedürftige Tatsachen zur Sprache kommen und ein Teilnehmer oder eine Teilnehmerin den Ausschluss der zu hörenden Öffentlichkeit beantragt oder die Behörde den Ausschluss von Amts wegen anordnet. Nach Abschluss des Scoping-Termins haben die Zuhörer und Zuhörerinnen Gelegenheit zu fragen oder Stellung zu nehmen."

Nach diesem Termin prüft die Behörde, ob weitere Unterlagen eingefordert werden müssen. Die Vorlage des Betreibers (erstellt von einem Ingenieurbüro) zum Scoping-Termin wurde veröffentlicht. Ein Detail daraus:

„Die Werte für zulässige Ableitungen von KKP 2 mit der Fortluft sollen zunächst nicht verändert werden. Beantragt wird, für den Zeitpunkt drei Monate nach Einstellung des Leistungsbetriebs des KKP 2 und nach Inanspruchnahme der SAG, die Festlegung folgender Werte für zulässige Ableitungen für KKP 2 mit der Fortluft über den Fortluftkamin:

für gasförmige radioaktive Stoffe

  • im Kalenderjahr: 2,0 x 1013 Bq
  • an 180 aufeinander folgenden Tagen: 1,0 x 1013 Bq
  • für den Zeitraum eines Kalendertages: 2,0 x 1011 Bq

für aerosolförmige Radionuklide mit Halbwertszeiten von mehr als 8 Tagen

  • im Kalenderjahr: 1,0 x 1010 Bq
  • an 180 aufeinander folgenden Tagen: 0,5 x 1010 Bq
  • für den Zeitraum eines Kalendertages: 1,0 x 1008 Bq

...

Die Antragswerte sind gegenüber den Genehmigungswerten aus dem bisherigen Betrieb reduziert. Der beantragte Jahreswert für gasförmige radioaktive Stoffe beträgt z. B. weniger als 2 % des genehmigten Ableitungswerts für den Leistungsbetrieb."

Dagegen hat das HZB im Antrag auf Stilllegung und Abbau des BER II vom 24.04.2017 keine Reduktion der zulässigen Ableitungen beantragt. Bezüglich der heiß diskutierten Freigabe wird zu Phillipsburg 2 ausgführt:

"Alle demontierten Anlagenteile aus dem Abbau werden – sofern erforderlich – zerlegt und nach Sorten getrennt. Radioaktive Reststoffe können entweder gemäß § 29 StrlSchV freigegeben (Freigabeverfahren), im kerntechnischen Bereich wieder verwendet, verwertet oder als radioaktiver Abfall geordnet beseitigt werden. Reststoffe, die das Freigabeverfahren durchlaufen haben, können entweder gemäß dem Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG) wieder dem Wertstoffkreislauf zugeführt werden oder können gemäß dem KrWG ordnungsgemäß als konventionelle Abfälle beseitigt werden.
Der größte Anteil der Gesamtmasse der Anlage KKP 2 kann ohne weitere Bearbeitung und nach Freigabe dem Wertstoffkreislauf zugeführt werden. Nur ein geringer Anteil der demontierten Materialien bedarf einer speziellen Bearbeitung. Diese erfolgt bevorzugt im RBZ-P. Lediglich etwa 1 % der Gesamtmasse fällt als radioaktiver Abfall an."

Mehr als ein halbes Jahr danach gab das Ökoinstitut, beauftragt vom TÜV Süd, zusätzlich Empfehlungen zum Untersuchungsrahmen der Umweltverträglichkeitsuntersuchung. Deren Stellenwert kann man an folgendem Zitat ablesen:

"Die Empfehlung soll dem Ministerium für die Unterrichtung über voraussichtlich beizubringende Unterlagen nach § 1b AtVfV als Handreichung dienen. Laut Nr. 04.7 UVPVwV hat die Unterrichtung innerhalb des Scoping keine Bindungswirkung. Das Risiko der ausreichenden Untersuchungsbreite und –tiefe verbleibt beim Vorhabenträger. Vielmehr hat das Scoping-Verfahren beratende Funktion."

Die Vorschläge des Ökoinstitutes wurden jedoch akzeptiert. Vom Ministerium wird auch auf Einwände eingegangen:

"Beim Scoping-Termin und in den nachfolgend eingegangenen Stellungnahmen wurden weitere Aspekte angesprochen, die nicht mit diesem Unterrichtungsschreiben aufgegriffen werden."

Das bedeutet: beim Scoping-Termin dürfen kritische Bürger durchaus Anmerkungen und Vorschläge machen, das Ministerium braucht aber keinen Handlungsbedarf daraus abzuleiten.

"Unterlagen zu Alternativen zur Freigabe nach § 29 StrlSchV („Bunkerlösung“) sind nicht zu verlangen, da die Freigabe sinnvoll und gesetzlich geboten ist. Der Antragsteller ist gehalten, die Menge der radioaktiven Abfälle zu reduzieren und die im Wege der Herausgabe und der Freimessung entstehenden konventionellen Abfälle im dafür vorgesehenen Regime zu entsorgen und nicht auf dem Anlagengelände zu lagern."

Also: die Möglichkeit des sog. sicheres Einschlusses soll nicht untersucht werden.