„Lieber tote Gäule reiten als ein neues Pferd zu satteln, Herr Lewitz?"
Ein Mitglied unseres Bündnisses und gleichzeitig Mitglied bei den Grünen im Kreisverband Berlin-Charlottenburg, hat uns einen persönlichen Resonanz-Bericht über die Öffentliche Anhörung des Umweltausschusses zur Änderung des Atomgesetzes vom 17. Oktober 2018 zur Verfügung gestellt. Vielen dafür!
Wir haben nachträglich ein paar Links zum Weiterlesen eingefügt.
Liebe Sylvia & liebe Grüne, die Ihr gestern im Ausschuss ward und auch gesprochen habt, hier eine kleine Rückmeldung aus meiner bescheidenen Perspektive:
1) Problem: Informationsflut für Laien. Meine Online-Einarbeitungszeit hielt sich in ganz kleinen Grenzen, so dass ich mehr oder weniger ahnungsgeleitet mir eine Meinung gebildet habe. Schade fand ich, dass kein Grünes Papier zum Gesetzentwurf vor Ort auslag. Die verteilten Papiere, besonders das von dem unsäglich populistischen und fahrlässige Vergleiche ziehenden Jan-Christian Lewitz (Erneuerbare Energie Industrie würde mehr Tote verursachen als nuklear Anlagen - bis heute, hat er nicht mal hinzugefügt) sind desinformierend zum Thema.2) Das rhetorische Ping-Pong-Spiel der unterschiedlichen Interessengruppen war deutlich und schwer erträglich. Mir fehlte eine Pro-Alternative Energien-Experten-Stimme, die diesem dummen Gerede von angeblichen wissenschaftlichen Facts und vor allem stolz präsentierten eigenen Nuklear-Technologie Erfahrungen von Lewitz und auch dem AFD- Vertreter etwas hätte entgegensetzen können.
3) Was zwar angesprochen, aber leider für mich nicht deutlich genug wurde in den Redebeiträgen von Grün u. Links, war die wirtschaftspolitische Funktion der Wiederaufbereitungsanlagen Grohnau u. Lingen für den sog. weltweiten Lieferservice von Uran-Brennstäben (weltweiten Nuklear Kreislauf). Zufällig habe ich am Abend vorher auf 3-Sat den österreichischen. Film "Der erste Tag"von Andreas Prochaska gesehen, 2008 gedreht und 2018 brandaktuell. Die Schilderung eines SuperGaus in einem südtschechischen AKW vom Feinsten. Sehr interessant: Die Österreicher sind komplett raus aus der Nuklear-Wirtschaft und das per Volksentscheid 1978 und das Bundesverfassungsgesetz für ein atomfreies Österreich wurde 1999 noch verschärft und hat Verfassungsrang. Das sollte mensch in Deutschland mal durchdiskutieren.
4) Mir wurde deutlich, wie sehr ich eine Aufklärung brauche über die verschiedenen nuklearen Strahlungsarten und deren Wirkung auf Mensch u. Natur. Die Behauptung, ohne jede Differenzierung und Abwägung von Gefahrengrößen von Lewitz u.a. im Ausschuss, dass eine niedrige Strahlungsdosis gesundheitsförderlich sei, fand ich skandalös. Es gibt wissenschaftliche Forschungen zu dem Thema, die genau das Gegenteil aufzeigen, bis hin zu der Arbeit der Malerin Hesse-Honegger, die die Mutation von Wanzen bei ausgesetzter geringer Verstrahlung (Grenzwerte-Diskussion) von Cäsium 137 nach dem Tschernobyl Unfall aufzeichnete, eine Langzeit-Studie.
5) Die Freimessungspraxis, mit der bereits heute auf unseren Mülldeponien, Bauschuttreste "nuklear verdünnt mit anderen Materialien, landen, sollte dringend wissenschaftlich untersucht und kontrolliert werden. Ich fürchte die Krebserkrankungen werden weiter ansteigen und alle haben keine Bewertungsmaßstäbe. Deshalb auch dringend die Durchsetzung flächendeckender Krebsregister in Deutschland und allen Ländern. Die Grünen könnten da ein deutliches Signal setzen.
6) Frage: Gibt es statistische Erhebungen über radioaktivitätsbelastete Böden und Wasser deutschlandweit? Wobei die Unterscheidung nach Strahlungsarten wichtig wäre. Grenzwerte für Luft werden wohl erhoben. Ich wünsche mir Transparenz darüber.
7) Die Reaktor-Technik "Generation 4", mit der sich Herr Lewitz endgültig aus dem Problemfeld radionuklearer Zukunft verabschiedete: Zukünftig gäbe es keinen Atommüll mehr, weil alle radioaktiven Abfälle in den neuen Reaktoren wiederverwendbar sein werden. So primitiv wie diese Argumentation ist, könnte sie ein Brainwash für viele, die noch weniger Lebenszeit in dieses Thema investieren können als ich, sein, sich für Fortführung der Nuklearwirtschaft auszusprechen. Und das Gegenteil davon wird wahr sein, ist meine Überzeugung. Ich weiß, wir Grünen haben viel zu den Nachfolgern der nuklearen Reaktoren des 20. Jahrhunderts gearbeitet.
8) Die Frechheit, Katastrophen-Szenarien zum Normalfall der Menschheit zu erklären von Lewitz/ Fa. LTZ-Consulting GmbH geäußert, zeigt eine verantwortungslose und menschenverachtende Unverfrorenheit. Trotzdem erscheint es mir nötig, dem haltlosen Argumentationserguß des Herrn Lewitz und seiner Firma, auch deutlich in ihrem Paper zur Ausschuss-Sitzung verteilt, sachlich entgegen zu treten. Das ist die undankbare nuklarpolitische Arbeit von Euch. Sorry for that.
9) Es hat mich geärgert, dass ich als Gast im "Ausschusshimmel" platziert, die Namen der aufgerufenen Redner kaum hören konnte und auch keine Namensanzeige der Redner*innnen auf den riesigen Monitorwürfeln an der Raumdecke zu sehen waren. Das könnte mensch doch einrichten, oder? Auch das leise Sprechen der Protagonist*innen fand ich unangenehm.
Mit solidarischen Grüßen
B. D. S.