Nukleare Projekte
Braucht Deutschland ein Fusionsgesetz?
Ergänzt am 23.04.2024
Wir hatten die "Kernfusion" und den dabei entstehenden Atommüll in der letzten Zeit mehrfach thematisiert (15. Dezember 2022, 26. Oktober 2023, 19. Februar 2024). Vielen Dank an unseren Leser H.A., der uns nun auf den Besuch von Ursula von der Leyen (CDU) und Markus Söder (CSU) beim Max-Planck-Institut für Plasmaphysik (IPP) aufmerksam gemacht hat.
Das IPP berichtete darüber auf seiner Webseite am 11.04.2024 und zitierte Ursula von der Leyen mit „Wir müssen einen dezidierten regulatorischen Rahmen für die Kernfusion schaffen...". Die SZ vom 11.04.2024 beschrieb das Treffen in Garching mit anderen Worten. Da gibt es z.B. auch den Satz (wahrscheinlich von Söder): "Manche Vorhaben könnten aber unter rechtliche Anforderungen der Kernenergie fallen." Schön, dass Söder daran denkt ... Und die FDP weiß das auch schon: "Deutschland braucht ein Fusionsgesetz".
Unsere Sicht:
- Wer heute in die Kernfusion investiert, hat anderes im Sinn, als Strom zu erzeugen. Der BUND analysierte die Frage „Wer profitiert von Kernfusion?“ und resümierte: „Hinter der Kernfusion steckt also auch das Ziel, Forschungsgelder in militärische Fusionswaffen-Labore zu spülen“. Und laut Drucksache 20/6622 (02.05.2023) hat die Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e. V. (Max-Planck-Gesellschaft) keine Zivilklausel!
Wir lehnen Investitionen in die Forschung für die Kernfusion ab, da diese Forschungsgelder besser für die Entwicklung von effektiven Stromspeichern für die Energiewende eingesetzt werden sollten.
Warum mehr Geld für die Fusionsforschung?
Anlass für diesen Artikel war unser Beitrag „Kernfusion: Bagatellisierung durch Verschweigen?“ in dem wir dem Max-Planck-Institut (MPI) für Plasmaphysik (IPP) die stillschweigende Löschung eines Satzes aus Ihren FAQ’s zur Mengenabschätzung des radioaktiven Abfall vorgeworfen hatten. Da die Pressestelle des IPP nach mehrfacher Erinnerung die Gründe für die Streichung dieser Mengenabschätzung offengelegt hat, möchten wir Sie:
- über die Gründe des IPP informieren,
- Sie zu einem Exkurs in die Unwägbarkeiten der Mengenabschätzung des radioaktiven Abfalls von Fusionsreaktoren einladen und
- Sie anregen, über Sinn und Zweck nachzudenken.
1. Schätzung des radioaktiven Abfalls von Fusionsreaktoren aus dem Jahr 2005
Nach Aussagen des IPP basierte der bis zum Februar 2023 in den FAQ’s zu findende Satz:
Insgesamt wird ein Fusionskraftwerk während seiner etwa 30jährigen Lebenszeit je nach Bauart zwischen 60.000 und 160.000 Tonnen radioaktiven Materials erzeugen, das nach Betriebsende des Kraftwerks zwischengelagert werden muss.“
auf dem „Final Report of the European Fusion Power Plant Conceptual Study (PPCS)“ aus dem Jahr 2005. Dieser Satz wurde durch das IPP bei einer Überarbeitung der Webseite gestrichen, da dieser Satz „nicht mehr den Angaben aktueller wissenschaftlicher Veröffentlichungen entsprach“[1].
Nach der Durchsicht des o.g. Final Reports und weiterer darauf basierender Einschätzungen ist nachzuvollziehen, dass die Angaben von 2005 nur grobe Richtwerte über die radioaktiven Abfallmengen sein konnten. Es gibt jedoch keinen Anlass daraus zu schlussfolgern, dass man heute von weniger radioaktivem Abfall ausgehen kann!
Ist „keine Meinung“ zu offenbaren eine Taktik?
Deutschland ist zumindest bei der Nutzung der Atomenergie ausgestiegen. Wer sich beiläufig für die Folgen dieser Atomnutzung, d.h. für den Atommüll interessiert, der hat bestimmt auch schon etwas von den historischen Entsorgungssünden in Deutschland gehört. Ich denke da z.B. an die Asse II. Der BUND fasste das treffend zusammen: „Die Geschichte des Atommülls in Deutschland (und nicht nur hierzulande) ist eine Geschichte der Unverantwortlichkeiten, des politischen und fachlichen Betrugs und politischer und unternehmerischer Skandale.“
Atommüll-Vernichter ein Werbegag?
Das erste Mal hörte ich bei dem sogenannten Scoping-Termin im Jahr 2020 im UVP-Verfahren zum Forschungsreaktor BER II von Plänen, den Atommüll verwerten und damit eine Endlagerung überflüssig machen. Ein Verein namens FREIER WALD e.V. hatte zu diesem Termin Experten geschickt, die für den Dual-Fluid-Reaktor Werbung machen sollten (siehe Anhang).
Ausbau der Brennelemente-Fabrik Lingen: Atomkraftgegner*innen fordern Abbruch des Genehmigungsverfahrens
Ausgelegte Unterlagen verschweigen brisante Rolle Russlands / Bundesregierung hält Prüfergebnisse unter Verschluss / Zugriff des Kreml auf nukleare Infrastruktur verhindern
Anti-Atomkraft-Organisationen fordern einen Abbruch des Genehmigungsverfahrens für den Ausbau der Brennelementefabrik Lingen. Der Atomkonzern Framatome will in Lingen in Lizenz und unter Mitwirkung des russischen Staatskonzerns Rosatom künftig auch Brennelemente für Reaktoren russischer Bauart produzieren. Framatome hat dazu mit der Rosatom-Tochter TVEL ein Joint Venture in Frankreich gegründet. Die seit Anfang Januar vom niedersächsischen Umweltministerium ausgelegten Antragsunterlagen verschweigen allerdings die brisante Rolle des russischen Staatskonzerns bei dem Vorhaben. ..."
Das Bündnis ruft zu einer Unterschriftenaktion:
https://www.ausgestrahlt.de/themen/atomindustrie/atomfabrik-lingen-schliessen/sammeleinwendung/
sowie zu einer Demonstration auf:
20.1. um 13 Uhr vor der Brennelementefabrik Lingen (siehe Termine)
Weiterlesen der Pressemitteilung unter:
https://www.ausgestrahlt.de/presse/uebersicht/ausbau-der-brennelemente-fabrik-lingen-atomkraftge/
Aus der Mail von ausgestraht.de vom 18.01.2024
Ausbau der Atomfabrik in Lingen stoppen – Deine Einwendung zählt!
Lesen, handeln, weiterschicken!
Liebe Freund*in,
in Lingen im Emsland hat der deutsche Atomausstieg nicht stattgefunden. Die hier ansässige Atomfabrik produziert weiter Brennelemente für ausländische AKW. Nun will sie ihre Produktion sogar noch ausbauen. Zusätzlich zu den bisherigen will sie künftig auch Brennelemente für AKW russischer Bauart fertigen – und zwar unter Beteiligung des russischen Staatskonzern Rosatom.
Das Genehmigungsverfahren für den Ausbau läuft bereits. Seit dem 4. Januar 2024 sind die Antragsunterlagen öffentlich zugänglich. Bis zum 3. März können beim niedersächsischen Umweltministerium Einwendungen gegen das Vorhaben erhoben werden.
» Hier Einwendung unterzeichnen
Kernfusion: Bagatellisierung durch Verschweigen?
In unserem Beitrag: "Kernfusion im Lawrence Livermore National Lab?" (15.12.2022) zitierten wir das Max-Planck-Institut (MPI) für Plasmaphysik aus deren FAQs zur Frage: "Entsteht bei der Fusion radioaktiver Abfall?". Damals fand man beim Max-Planck-Institut folgende Version, die übrigens noch heute im Webarchiv gespeichert ist:
"Ein Fusionskraftwerk erzeugt radioaktiven Abfall, weil die energiereichen Neutronen, die bei der Fusion entstehen, die Wände des Plasmagefäßes aktivieren. Wie intensiv und wie lang andauernd diese Aktivierung ausfällt, hängt von den Materialien ab, auf welche die Neutronen auftreffen. Deshalb wurden und werden für die Fusion spezielle, niedrig-aktivierbare Materialien entwickelt.
Insgesamt wird ein Fusionskraftwerk während seiner etwa 30jährigen Lebenszeit je nach Bauart zwischen 60.000 und 160.000 Tonnen radioaktiven Materials erzeugen, das nach Betriebsende des Kraftwerks zwischengelagert werden muss.
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