In der "Wirtschaftswoche" erschien am 12.01.2024 ein Artikel unter dem Titel "Wer ist auf dem Holzweg in der Debatte um Kernkraft?". Darin wirft der Autor Stefan Hajek viele Fragen auf, zitiert einige Atomkraftbefürworter und Skeptiker der Erneuerbaren Energien, geht aber auch auf Gegenargumente ein. Aber letztlich bleiben die Antworten offen - welchen Sinn hat dann ein solcher Beitrag? Primär muss der Inhalt natürlich die zahlenden Abonnenten der Zeitschrift ansprechen und die "wird überwiegend von einkommensstarken, männlichen Lesern im Alter von 30 bis 59 Jahren gelesen. Sie sind laut dem Wirtschaftswoche Verlag vorwiegend als leitende Angestellte tätig".
Ein Schwachpunkt des Artikels ist es, dass seriöse Analysen wie z.B. des Deutschen Institutes für Wirtschaftsforschung e.V. "Zu teuer und gefährlich: Atomkraft ist keine Option für eine klimafreundliche Energieversorgung" unter den Tisch fallen. Wir zitieren daraus:

"Weitet man die Perspektive auf eine gesamtwirtschaftliche Betrachtung [der Atomkraft] aus, so wird ersichtlich, dass über die hohen privatwirtschaftlichen Kosten hinaus hohe externe Kosten und Risiken entlang der Wertschöpfungskette vorliegen. Dies betrifft Strahlen-Emissionen bei Uranbergbau, mögliche Strahlen-Emissionen beim Betrieb, den langwierigen und technisch anspruchsvollen Rückbau, die ungeklärte Frage der langfristigen Lagerung von Atomabfällen sowie das Risiko der Proliferation. Ein großer Teil dieser Kosten wird von der Allgemeinheit getragen. Zuletzt wird dies dadurch deutlich, dass Betreiber von AKWs nicht gegen die Risiken von Unfällen versichert sind. Weltweit gibt es keine Organisation, welche die Finanzdienstleistung einer Versicherung anbietet."

Günter Wippel, Dipl-Volkswirt, vom uranium-network.org schrieb uns bezogen auf den Aspekt der Wirtschaftlichkeit von Atomstrom in dem Artikel der Wirtschaftswoche:

"Die im Artikel der Wirtschaftswoche zitierte Sicht des emeritierten Professors für Reaktortechnologie der ETH Zürich Prasser: 'Weil, anders als bei Gas und Kohle etwa, die Brennstoffkosten kaum ins Gewicht fallen, sei der Atomstrom langfristig eine sehr günstige Energieform' ist ein Spiegelbild der einseitigen Europäischen Bewertung der Atomkraft als nachhaltig. Das uranium-network.org bewertete die EU-Taxonomie bezüglich der Atomkraft wie folgt:
Die Fortsetzung der Nutzung von Atomkraftnutzung bedeutet die Perpetuierung eines Systems, das
(a) auf Kolonialismus bzw. dessen Fortsetzung bei der Brennstoffbeschaffung beruht , und
(b) Menschen- und Landrechte Indigener Völker verletzt

Soziale Kosten der MarktwirtschaftWie meist bei den 'Wirtschaftlern', meinen sie mit 'Kosten' ausschließlich die finanziellen Kosten, während die sogenannten 'social costs' völlig unerwähnt bleiben, und in der marktwirtschaftlichen Betrachtung keine Rolle spielen. 'social costs', etwas hinkend ins Deutsche als 'soziale Kosten' übersetzt, meint die Kosten, die der Allgemeinheit aufgebürdet werden. Das Konzept der 'social costs' wurde von dem Ökonomen K.W Kapp entwickelt ('Soziale Kosten der Marktwirtschaft'), der vor und mit der Umweltschutzbewegung erkannte, dass z.B. Umweltschäden, Gesundheitsschäden durch Abgase etc., aber auch Schäden an Gebäuden etc. durch Abgase nicht den Verursachern angelastet werden, sondern der Allgemeinheit aufgebürdet werden (die sie unfreiwillig trägt / tragen muss).

Folgende Kosten finden bisher keinen Niederschlag in den "Levelized Costs Of Energy (LCOE)":
  • Für Sanierung / Rekultivierung (soweit überhaupt möglich) der Uranbergwerksgebiete finden keinerlei Niederschlag in der Berechnung - sie müssen entweder von der "Allgemeinheit" (= Steuerzahler) getragen werden (z.B. USA, Canada, Dtld.) oder sie findet ganz einfach nicht statt (z.B. in Ländern des globalen Südens).
  • Die Gesundheitsschäden (Krebsleiden etc.), radioaktive Kontamination von Flächen, Gewässern
So wurden in Deutschland bislang rund 1 Mrd € an Kosten für Entschädigungen an ehemalige Uranbergarbeiter (Wismut) ausbezahlt, incl. Gesundheitskosten (MDR). Die Rekultivierung der Hinterlassenschaften des Uranbergbaus in der DDR haben bislang 7 Mrd €  gekostet, Tendenz weiter steigend (Wikipedia).
In den USA sind die Kosten für die Rekultivierung nicht überschaubar, teils werden sie aus dem SuperFund bezahlt, teils doch noch Unternehmen angelastet, teils findet Rekultivierung einfach nicht statt, ähnlich in Canada. Entschädigungszahlungen an Uranbergarbeiter in den USA nähern sich der 1 Mrd US$ Grenze. Für die betreffenden Gesundheits- / Behandlungskosten sind mir keine Statistiken bekannt.
 
Die Berücksichtigung der 'social costs' des Uranbergbaus und der Endlagerkosten - würde den realistischen Preis für Atomkraft ein ganzes Stück in die Höhe treiben."
Im Wirtschaftsleben wäre ein baldiger Konkurs die Folge, wie die am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung e.V Berlin (DIW) erarbeiteten wirtschaftshistorischen und betriebswirtschaftlichen Analysen zeigen. Atomkraft war in der Vergangenheit privatwirtschaftlich unrentabel, ist es in der Gegenwart und wird es auch zukünftig sein (DIW: "Zu teuer und gefährlich: Atomkraft ist keine Option für eine klimafreundliche Energieversorgung"). 

Und nun wissen wir, dass sich die Wirtschaftswoche mit ihrem Artikel garantiert auf dem Holzweg befindet.
Aber ACHTUNG: Das System hält sich international durch öffentliche Subventionen, zivil-militärischen Synergien und Versprechungen von Politikern. Und diverse politische Kräfte setzen aktuell in Deutschland auf die Manipulierbarkeit und die Vergesslichkeit des (Wahl-)Volkes. Artikel, wie die der Wirtschaftswoche unterstützen dies.

Zum Weiterlesen:
Nuclear Free Future Foundation, Rosa Luxemburg Stiftung, BUND, Le Monde diplomatique: URAN Atlas