Ein Loch ist im Eimer, Karl Otto, Karl Otto,
Ein Loch ist im Eimer, Karl Otto, ein Loch.
Dann stopf es, o Henry, o Henry, o Henry,
Dann stopf es, o Henry, o Henry stopf es zu.

Schon Henry ist es nicht leicht gefallen, das Loch zu stopfen.

Wie ist es gewesen mit Riss in der Schweißnaht zwischen dem Kühlrohr und einer Trennwand im Reaktor, 60 cm über dem heißen Kern?

Die Berliner Atomaufsicht gewährte Akteneinsicht.

Vorweg: Die Bauteile, um die es hier geht: Trennwand, Trenntor, Schweißnaht, Kühlmittelrohr sind alle aus dem gleichen Material, AlMg3, also Aluminium mit 3% Magnesium; sie stammen aus dem Jahr 1972, dem Baujahr des BER II; sie wurden 1980-1985 bei der Erweiterung von 5 auf 10 MW nicht erneuert.

Anfang 2010, möglicherweise auch schon Ende 2009, während einer Abschaltphase des Reaktors, wurde der Wasserstand im Absetzbecken abgesenkt. Man stellte fest, dass aus dem Betriebsbecken Wasser sickerte und zwar dort, wo eine Wasserleitung durch die Trennwand zwischen beiden Becken geführt wird. Diese Leitung saugt während des Reaktorbetriebs heißes (und deutlich radioaktives) Wasser vom Kern weg, so dass dieses nicht gleich nach oben steigt und verdunstet.

Weiterhin wird an der Oberfläche des Reaktorbeckens eine ca. zwei Meter dicke Schicht aus warmem Wasser ausgebildet, die das Aufsteigen von aktivierten Bestandteilen des Beckenwassers und damit den Strahlenpegel an der Wasseroberfläche reduziert.

Am Beckenrand wird zudem die Luft abgesaugt, so dass in der Reaktorhalle Arbeiten ohne zeitliche Begrenzung möglich sind. Die abgesaugte Luft gelangt mit der Hallenluft über einen Aerosolfilter gereinigt über den Abluftkamin in die Umgebung.

Trennwand und Kühlwasserleitung sind miteinander verschweißt; die Trennwand hat eine gewisse Dicke; auf der Seite des Reaktorkerns läuft die Schweißnaht vollständig um das Rohr, auf der anderen Seite ist die Naht teilweise unterbrochen. – Das Leck liegt also auf der Seite des Arbeitsbeckens. Ein Foto, das am 11. Januar 2010 aufgenommen wurde, zeigt den Riss.

 

Was tun?

Er kann nicht einfach zugeschweißt werden, weil Aluminium unter Wasser nicht schweißbar ist.

Also erst mal abwarten und den Mund halten.

Es gibt keinen Hinweis in den Akten, dass die Atomaufsicht informiert wurde.

Im Juli 2010, also ein gutes halbes Jahr nach der Entdeckung, suchte man intern nach einer Lösung. Stephan Welzel zeigte Thilo Scholz, damals Leiter des Konstruktionsbüros des HZB, Fotos des Risses. Nach Streitigkeiten wegen des vorgesehenen Austauschs des Konischen Strahlrohrs wurde Thilo Scholz im Februar 2011 entlassen.

Es ist nicht ersichtlich, wann Thilo Scholz sich an den Journalisten Chris Humbs gewandt hat.

Im Mai 2011 schickte Chris Humbs, bevor er im Juni die ARD-Kontraste-Sendung zu dem Riss produzierte, zwei Emails mit Fragen an die Pressestelle des Bundesministeriums für Umwelt und Reaktorsicherheit. Das BMU hat seine Fragen an die Senatsverwaltung für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz Berlin weitergeleitet. Diese wiederum hat den TÜV Rheinland mit einer Stellungnahme zu dem Leck beauftragt.

Wenn auch das HZB in einer Presseerklärung im Juni 2011 abwiegelte, konnte doch im Juli 2011 eine zweite Kontraste-Sendung zum Riss aus dem TÜV-Bericht zitieren und das Thema war nicht mehr unter den Teppich zu kehren.

Schon im August 2011 schickte der Leiter des Reaktorbetriebs, Dr. Krohn, an die Berliner Atomaufsicht zwei Fotos von dem Riss und er schlug ein Reparaturkonzept vor. Die Schweißnaht sollte freigefräst werden.

Noch im gleichen Monat gab es ein Gespräch mit Dr. Steinmetz von der Atomaufsicht und wiederum im August wurde die Firma AREVA beauftragt, den Schweißnahtschaden sicherheitstechnisch zu bewerten.

Eine vollständige Abtrennbarkeit der beiden Becken sollte nach der Reparatur wieder möglich sein.

Man vermutete, dass die Schweißnaht durch das Gewicht des Rohrs stark belastet war; von AREVA wurde die Hypothese formuliert, der Ursprung des Risses sei schon während der Bauphase entstanden. Man untersuchte auch, ob die Vibration durch die Pumpen den Schaden verursacht haben konnte. Nach vielen Prüfungen wurde im November die Schwingung des Rohrs beim Schließen der Naturumlaufklappen als Ursache identifiziert.

Die Naturumlaufklappen werden geöffnet, wenn der Reaktor herunter gefahren und dann nicht mehr aktiv gekühlt wird. Nach Ende der Ruhephase werden sie geschlossen und dabei entsteht ein „Wasserschlag“.

Zur Überwachung des Risses nach jedem Schließen der Naturumlaufklappen wurde ein Endoskop eingesetzt. Im November 2011 wurde festgelegt, dass bei einem Wachstum des Risses über 150 mm („20% der kritischen Durchrisslänge“) der Reaktor abgeschaltet bleiben solle.

Schon Ende Januar des nächsten Jahres entdeckte man mehr Risse.

Im März 2012 gab es die Anhörung von Thilo Scholz im Umweltausschuss des Abgeordnetenhauses. Er sprach über die Gefährlichkeit des Risses. Das wurde von Aufsicht und HZB nicht weiter kommentiert.

Mehr als ein Jahr später, im August 2013, schickte das HZB eine Technische Notiz über Auswirkungen von Leckagen an der Trennwand zwischen Reaktorbecken und Absetzbecken an die Atomaufsicht. Darin steht, dass das Setzen des Trenntors nicht mehr unbedingt nötig ist, da bei der Leistungserhöhung von 5 auf 10 MW ein Ablauf am Grund des Betriebsbeckens verschlossen worden ist. Danach würde man eine Trennung von Betriebs- und Absetzbecken zur Beherrschung eines Störfalls nicht mehr benötigen.

Im November 2013 waren die Risse so lang und zahlreich, dass der Reaktorbetrieb ruhen musste.

Noch Ende Januar 2014 beantragte das HZB bei der Atomaufsicht, nach dem geplanten Entfernen der rissigen Dichtung durch Funkenerosion den Spalt durch eine temporäre Abdichtung verschließen zu dürfen. Auch im AREVA-Bericht vom März 2014 ist eine neue temporäre Dichtung für Arbeiten, die unterschiedliche Wasserstände in Betriebs- und Absetzbecken erfordern, vorgesehen.

Die Reparatur zog sich hin: An einem 1:1- Modell übte man das Vorgehen. Von einer Arbeitsbühne im Reaktorbecken aus wurden die Arbeiten in Gang gesetzt. Eine eigens konstruierte Maschine entfernte die Schweißnaht durch Funkenerosion. Eine Art Lochplatte fixiert danach das Rohr an der Trennwand. Betriebs- und Arbeitsbecken sind nun für immer verbunden.

Das HZB gibt erst im Mai 2014 bekannt, dass der Reaktorbetrieb ruht; zwei Monate später erscheint ein ausführlicher Bericht der taz zum Thema.

Im August 2014 sieht das HZB keine temporäre Dichtung mehr vor; statt dessen ist von einer Pumpe die Rede, die Leckwasser aus einem Speichertankraum über temporäre Verbindungen wieder in die Reaktorbecken zurückpumpen soll. Im September 2014 nimmt der TÜV zu diesem Änderungsantrag Stellung; der Senat stimmt der Maßnahme (Leckwasserpumpe) im gleichen Monat zu.

Im Februar 2015 wird der Reaktor wieder hochgefahren.

Fazit:

Entgegen unserer früheren Meinung scheint es sich bei dem Riss nicht primär um eine neutroneninduzierte Materialversprödung zu handeln. Nach Aussage von Dr. Steinmetz wurde das Kühlrohr eingehend untersucht; am Rohr selbst waren demnach keinerlei Risse erkennbar.

Erstaunlich, dass Rohr/Trennwand/Trenntor aus dem Jahr 1972 stammen.

Die offizielle Beschäftigung mit der Rissproblematik haben wir der Initiative von Thilo Scholz / Chris Humbs zu verdanken. Wer weiß, wie lange die Sache noch weiter verschwiegen worden wäre.