Der Forschungsreaktor im Helmholtz-Zentrum überdauerte die Atomkatastrophen von Tschernobyl und Fukushima, genauso wie die Rot-Grüne Koalition unter Walter Momper, in der die Umweltsenatorin Michaela Schreier die Anlage schließen wollte. Auch die Diskussion der Flugrouten konnte dem Reaktor nichts anhaben. Doch jetzt scheint das Ende des Reaktors nahe zu sein. Ausgerechnet auf Grund der Aussagen eines ehemaligen Abteilungseiters des HZB’s.

BER II, so der Name des Forschungsreaktors, wurde am 9. Dezember 1985 offiziell eingeweiht. Das ist jetzt immerhin über 26 Jahre her. Dr.-Ing. Karl Thilo Scholz, Jahrgang 1968, war von Dezember 2007 bis zu seiner Entlassung am 18. Februar 2011 der Leiter für Konstruktion und Werkstätten der Standorte Wannsee und Adlershof. Seine Abteilung kümmerte sich um die Solarforschung, um den Reaktors und um die Versuchsapparaturen am Reaktor.

„Wir waren nicht für technische Probleme im Tagesbetrieb zuständig, sondern für Umbauten an der Anlage,“ erklärt Scholz seine Arbeit. Darunter fällt auch ein Riss in der Kühlwasserleitung. „Für mich war nicht das alarmierende der Riss selber, sondern, dass es überhaupt zu einem Riss gekommen ist. Das ist ein Indiz für die Versprödung des Materials,“ erklärt Dr. Scholz und rechnet aus, dass der Reaktor eine Laufzeit von über 20 Jahren hinter sich hat.

 

Im Oktober 2010 musste das konische Neutronenstrahlenrohr ausgetauscht werden, der BER II wurde außer Betrieb genommen. Die Verantwortung für Konstruktion liegt allein in seiner Abteilung. Dieser Austausch stellte die Abteilung vor große Probleme. Das Neutronensbertrahlrohr war an seinen Träger angeschweißt und es war nie daran gedacht worden, dass dieses Teil jemals ausgetauscht werden würde. Der Reaktor selber liegt in einem Wasserbecken. Man kann den Wasserspiegel zwar um etwa 3 Meter senken, trotzdem bleibt das Neutronenstrahlrohr unter Wasser. Damit entfällt die Möglichkeit, dieses Rohr anzuschweißen. Mithilfe von ferngesteuerten Unterwasserwerkzeugen wurde das konische Strahlrohr abgesägt und das neue mit einer Federstahldichtung angeschraubt.

„Die Dichtung wurde ganz fest an den Träger angeschraubt. Die Stahlfedern drücken sich nur dann in das weichere Aluminium. Durch den enormen Druck seitens der Schrauben besteht aber die Gefahr, dass das Schmiedealuminium des Rohrs die Versagensgrenze erreicht und durch die zahlreichen Schrauben zu stark gequetscht wird,“ nennt Scholz hier die Schwachstelle.

Dr. Scholz ließ aus diesem Grunde das Aluminium für die Bauteile durch das sog. Heißisostatische Pressen (HIP) enorm hoch verfestigen. Durch dieses Verfahren, mit dem auch Motorblöcke für Formel 1 Wagen behandelt werden wurden sehr gute Werte erreicht. „Gehiptes Aluminium ist wesentlich gleichförmiger und gegen Explosionen beständiger als in der alten Technik geschmiedetes Aluminium. Aber das letztere hat den Genehmigungsvorteil, dass im Betrieb keine weitere Prüfung erfolgen muss, was Kosten spart und vor allem bei Erreichen kritischer Werte das Bauteil nicht ausgetauscht werden muss. Dabei hält gehiptes Aluminium wegen der von vornherein besseren Eigenschaften länger einer Versprödung stand. Aber die Leitung des HZB entschied sich gegen die ganzen Prüfungen. Das bereits angefertigte gehipte konische Strahlrohr wurde ins Lager gestellt und ein konventionell geschmiedetes Material verwendet.“

Auch nach seiner Kündigung beschäftigt sich Scholz mit seinem einstigen Sorgenkind. Ein Auftritt im ARD bei „Kontraste“ wirft viele Fragen auf. Daraufhin wird ein Stresstest angefordert und Klaus Wowereit verkündet Stolz, dass der Forschungsreaktor diesen bestanden hat. Es fragt sich nur, ob der Bürgermeister weiß, was ein Stresstest ist. „Ein Stresstest ist kein Gutachten, das Wort wird noch nicht einmal in dem Bericht erwähnt. Der Stresstest ist ein reiner Fragebogen. Der TÜV Rheinland fragt nur den Betreiber. Bezogen auf ein Auto ist das so, als ob der TÜV-Prüfer den Autofahrer fragt, hat ihr Auto eine Bremse. Ja – und der TÜV-Prüfer schreibt, der Autofahrer sagt, sein Auto hat eine Bremse. Nur wird diese nicht getestet. Hier wurden Politiker und Presse hinters Licht geführt.“

Dann im Juni 2011 bestellte der Berliner Senat ein richtiges Gutachten – auch über den Riss. Aber im Gutachten steht kein Wort über den Riss, sondern über die 5 Meter entfernte Trennwand. Sie ist laut Gutachten etwas undicht. Zudem bestehen Gefahren aufgrund des Flugverkehrs. Der Reaktor ist nur durch ein Wellblechdach geschützt. Stürzt z. B. ein Fahrwerk ab und zerschlägt die Steuerwarte, ist eine Kernschmelze bei laufendem Betrieb möglich. Denn dem Forschungsreaktor fehlt eine voll funktionsfähige Bunkersteuerung, also die Notsteuerung, deren Funktion auch der TÜV bemängelt. Das HZB vertritt wiederum die Meinung, das richtige Material für das Neutronenstrahlrohr ausgesucht zu haben und auch ansonsten einen vollkommen sicheren Forschungsreaktor zu betreiben. Wie weit Versprechen und Wirklichkeit auseinander klaffen, hat zuletzt das japanische Atomkraftwerk Fukushima gezeigt.

Aber im Augenblick geht von dem Reaktor wirklich kaum eine Gefahr aus, da der Reaktor noch immer stillgelegt ist. Die Brennelemente sind im Verladebecken und der Reaktor wartet auf die Genehmigung zum Anfahren. Ob die aber kommt, ist sehr fraglich. Entscheiden wird das der Wirtschafts- und Umweltausschuss am 7. März, wo alles zur Sprache kommen soll. Vor diesen Ausschuss wird auch Karl Thilo Scholz geladen. Sein Fazit steht jetzt schon fest: „20 Jahre sind für einen Reaktor eine enorm lange Zeit. Für mich hat dieser Reaktor das Ende seines Lebens erreicht. Jetzt kommen die Reparaturen und damit die Gefährdung für die Bevölkerung.“

Scholz befürwortet die endgültige Schließung des Forschungsreaktors, aber nicht des Forschungsstandortes. Auf dem Gelände des ehemaligen Forschungsreaktors Jülich sind nach dessen Ende wesentlich mehr Arbeitsplätze in der Forschung entstanden als zu Zeiten der atomaren Forschung. Und Scholz ist sich sicher, wenn die Landesbehörde diesen Reaktor nicht schließt, kommt eine Weisung zur Schließung durch die Bundesbehörde. Und dann benötigt man noch 20 Jahre, um den Reaktor abzubauen. Man muss dazu nur wissen, wohin mit dem vielen Atommüll.